Marlise Grimm ist seit vielen Jahren als Richterin aktiv. Ihre Leidenschaft für Islandpferde und ihr geschultes Auge machen sie zu einer gefragten Fachperson auf internationalen Materialprüfungen.
Im Rahmen der FIZO 2025 hat sie einen Kurs gegeben: „Kommentiertes Richten“ – ein praxisnaher Einblick in die Abläufe und Bewertungen aus Sicht der Richter. Dabei erklärte sie live, worauf es bei einer Beurteilung ankommt, wie die FEIF-Kriterien angewendet werden und welche Rolle der Gesamteindruck spielt.
Wir haben Marlise ein paar Fragen gestellt – über gute Pferde, faire Beurteilung und ihren ganz persönlichen Blick auf die FIZO.
1. Welche Kriterien sind für Sie bei der FIZO besonders entscheidend?
Marlise Grimm:
„Das Wichtigste an der Idee der FIZO ist, dass wir eine wirklich gute Beschreibung des Pferdes liefern – im positiven wie im negativen Sinne. So können Züchterinnen und Züchter, die mit dem FEIF-System arbeiten, gezielt passende Zuchtpferde auswählen. Die FIZO soll ihnen dabei helfen, verlässliche und vergleichbare Informationen zu bekommen – als Grundlage, um künftig noch bessere Pferde zu züchten.“
2. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Bewertungen fair und objektiv sind?
Marlise Grimm:
„Wenn man ehrlich ist, kann man nie zu 100 % sicher sein, dass man vollkommen objektiv ist. Aber ich persönlich blende konsequent alle Informationen über Pferd und Reiter aus – ich konzentriere mich ausschließlich auf das, was ich beurteilen soll: das Pferd.
Das ist für mich eine Frage der Disziplin. Man darf sich nicht von Dingen beeinflussen lassen, die mit der eigentlichen Bewertung nichts zu tun haben. Mein Ziel ist es, den Leitgedanken der FIZO sauber umzusetzen – präzise, ehrlich und mit vollem Fokus. Das ist mein Anspruch – ob beim Sport- oder beim Zuchtrichten.“
3. Gibt es typische Fehler bei der Vorstellung von Pferden?
Marlise Grimm:
„Typische Fehler beginnen oft schon bei der Gebäudebeurteilung. Besonders weniger routinierte Vorsteller:innen sind manchmal etwas gestresst – und das überträgt sich auf das Pferd. Es steht dann nicht so ruhig und harmonisch da, wie es eigentlich könnte.
Ein häufiger Irrtum ist auch, dass eine möglichst hohe Aufrichtung besonders erwünscht sei. Dabei wird der Kopf oft zu hoch gehalten – und das wirkt schnell unharmonisch.
Auch die Vorbereitung für das Gehen oder Traben an der Hand wird oft unterschätzt. Genau da kann man aber viel für einen guten Gesamteindruck tun.
Unter dem Sattel ist das Fehlerbild deutlich vielfältiger. Je besser jemand reitet, desto besser gelingt es in der Regel, sich auf das Pferd einzustellen – und es optimal zu präsentieren.“
4. Wie hat sich die Qualität der vorgestellten Pferde in den letzten Jahren verändert?
Marlise Grimm:
„Das ist eine richtig gute Frage – denn man kann tatsächlich beobachten, dass die Qualität der Pferde durch die Informationen aus dem FIZO-System deutlich besser geworden ist.
Die Pferde sind heute leichter im Tölt zu reiten, sie haben bessere Gebäude und wirken insgesamt gleichmäßiger in ihrer Qualität. Man sieht auch deutlich seltener Pferde, bei denen durch ungeschickte Zucht körperliche oder rittigkeitsbedingte Probleme vorprogrammiert sind.
Für mich ist das fast der wichtigste Punkt: Ein Züchter sollte sich bewusst sein, dass er mit jedem Pferd ein Reitpferd züchtet – und dem Pferd die Chance geben muss, diesen Job auch gut machen zu können.
Dazu braucht es ein gutes Gebäude, ein stabiles Interieur und eine klare Gangveranlagung. Und genau in diesen Bereichen hat sich die Qualität in den letzten Jahren spürbar verbessert.“
5. Wie wird das Exterieur im Vergleich zu den Reiteigenschaften gewichtet?
Marlise Grimm:
„Das ist tatsächlich die kürzeste Frage – das Verhältnis ist ganz klar: 35 % Exterieur, 65 % Reiteigenschaften.
Jetzt könnte man sich fragen, warum das Gebäude ’nur‘ mit 35 % gewichtet wird – immerhin ist es ja sehr wichtig. Der Grund ist, dass sich die Zucht in den letzten Jahren so stark verbessert hat. Es gibt heute viel weniger Pferde mit gravierenden Gebäudefehlern, und solche Pferde werden in der Regel auch gar nicht mehr vorgestellt.
Deshalb hat das Exterieur im Verhältnis etwas an Gewicht verloren – ohne dass es unwichtig geworden wäre.“
6. Welche Tipps geben Sie jemandem, der zum ersten Mal mit einem Pferd auf eine FIZO geht?
Marlise Grimm:
„Sich gut vorbereiten – das ist der wichtigste Punkt. Je besser man vorbereitet ist, desto entspannter kann man an die Prüfung herangehen. Und umso geringer ist die Gefahr, dass man im Nachhinein frustriert ist, weil etwas nicht so geklappt hat, wie erhofft.
Ich empfehle, sich frühzeitig Unterstützung zu holen – etwa durch erfahrene Reiter:innen oder Trainer:innen – und regelmäßig gemeinsam zu üben.
Genauso wichtig: nicht zu gestresst sein! Im Gegensatz zu einem Turnier kann man das Ergebnis einer FIZO-Prüfung bei einem späteren Termin noch verbessern. Also: gut vorbereiten, locker bleiben – das sind meine wichtigsten Tipps.